Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der letzten Sitzungswoche hatte ich die Gelegenheit, gleich zweimal im Bundestagsplenum zu sprechen. Zum einen zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz und zum anderen – und das ist mir besonders wichtig – zu unseren eigenen Anträgen zur Reform der betrieblichen Mitbestimmung. Diese Anträge zum Betriebsverfassungsgesetz wurden im Austausch mit aktiven Kolleginnen und Kollegen auf unseren bundesweiten Betriebs- und Personalrätekonferenzen entwickelt. Wir werden diesen Austausch nun im Rahmen von regionalen Konferenzen fortsetzen. Den Auftakt machen wir am 12. Juli in Ingolstadt. Der Arbeitsrechtsexperte und Mitautor des Mitbestimmungskonzepts des DGB, Dr. Thomas Klebe, wird dabei sein sowie viele Kolleginnen und Kollegen aus Gewerkschaften und Betrieben. Es wird sehr spannend und ich hoffe, viele von Euch dort begrüßen zu dürfen.

In Zukunft möchte ich noch häufiger mit Euch ins Gespräch kommen. Mein „Betriebsrat-Stammtisch“ direkt im Wahlkreis wird jetzt regelmäßig stattfinden, geplant sind vier Mal im Jahr. Der nächste Termin ist der 26. Oktober. Bitte merkt Euch das Datum vor. Eine ausführliche Einladung folgt noch.

Außerdem möchten wir auch per Videokonferenz mit Euch zusammenkommen. In kleinen Online-Fachgesprächen möchte ich aktuelle Themen der Arbeitspolitik mit aktiven Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben diskutieren. Wir möchten im August mit dem Thema Arbeitszeiterfassung beginnen, da sich hier etwas bewegt hat, wie Ihr weiter unten lesen könnt. Und wenn Ihr Themenvorschläge habt, schickt mir diese gerne.

Arbeitszeiterfassung

Direkt in der Woche vor der Sitzungswoche vom 24. März wurde ein Referentenentwurf zur Einführung einer Arbeitszeiterfassungspflicht bekannt. Allerdings wurde der Entwurf nicht offiziell vom Arbeitsministerium veröffentlicht, sondern wohl der Presse zugespielt. Bis das neue Arbeitszeitgesetz in Kraft tritt, werden sich die Regelungen aber sicherlich noch einmal ändern. Schon jetzt äußern FDP, CDU und Arbeitgeberverbände Kritik. Sie wollen noch weitergehende Ausnahmen und vor allem die FDP hält an ihrem Plan fest, Experimentierräume für eine Ausweitung der täglichen Tageshöchstarbeitszeit zu öffnen.

Auch wir sind mit diesem Entwurf nicht zufrieden. Zwar ist es gut, dass die Arbeitszeiterfassung nach dem Urteil des EuGH (2019) und des BAG (2022) nun endlich gesetzlich verpflichtend gemacht wird. Gut ist auch, dass dies grundsätzlich elektronisch und tagesaktuell geschehen muss. Arbeitgeber sollen jedoch über Tarifverträge oder aufgrund einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung auch nicht-elektronisch oder bis zu sieben Tage später erfassen können. Auch ganze Beschäftigtengruppen können dann ausgenommen werden. Außerdem soll es übermäßig lange Übergangsfristen von bis zu fünf Jahren geben, und Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigte sollen von der elektronischen Erfassungspflicht ganz ausgenommen werden.

Wenn die Arbeitszeiterfassung so ausgehöhlt wird, kann ihr wichtiges Ziel, Lohnraub und Überlastung zu verhindern, nicht erreicht werden. Wir bereiten derzeit einen Gegenvorschlag vor und werden diesen im Parlament einbringen. Wenn ihr Erfahrungen aus den Betrieben habt oder Lust habt, mit mir und anderen Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren, meldet Euch gerne. Ich stehe bereit, um im Betrieb, auf Veranstaltungen oder in anderen Kontexten über das Thema Arbeitszeit zu debattieren.

Mindestlohn

Mit der Verabschiedung des Mindestlohnerhöhungsgesetzes im Sommer 2022 wurde gesetzlich verankert, dass die Mindestlohnkommission bis zum 30. Juni 2023 einen Vorschlag über die nächste Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 01.01.2023 machen soll. Die Auseinandersetzung darüber ist aktuell in vollem Gange und die Meinungen sind geteilt. Während Gewerkschaften auf eine kräftige Erhöhung drängen, um den Kaufkraftverlust bei den unteren Einkommen einzudämmen, warnen Arbeitgeberverbände vor zu hohen Anpassungen. Neu an der aktuellen Auseinandersetzung ist, dass es seit letztem Jahr auch eine EU-Richtlinie gibt, die den Mitgliedsstaaten neben dem Auftrag, Aktionspläne zur Erhöhung der Tarifbindung auf den Weg zu bringen, auch sehr konkrete Empfehlungen für die Anpassung gesetzlicher Mindestlöhne an die Hand gibt. Danach seien gesetzliche Mindestlöhne angemessen, wenn sie bei mindestens 60 Prozent des Bruttomedianlohns oder 50 Prozent des Durchschnittslohns liegen. Für Deutschland ist die Schwelle von 60 Prozent ausschlaggebend und wurde auch von der Bundesregierung selbst bei der Erhöhung auf 12 Euro im vergangenen Jahr als Maßstab herangezogen. Diese Schwelle sollte daher aus unserer Sicht gesetzlich verbindlich verankert werden. Wir bereiten dazu gerade einen Antrag vor und werden uns im Bundestag dafür einsetzen, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht erneut von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt wird. Außerdem muss die Entscheidung der Mindestlohnkommission transparent und nachvollziehbar gestaltet werden. Unsere Forderung ist daher, dass die eingegangenen Stellungnahmen sowie die Sitzungstermine auf der Homepage der Mindestlohnkommission veröffentlicht werden.

Saisonbeschäftigte

Die Situation meist osteuropäischer Saisonarbeitskräfte ist nach einem Artikel des RND prekär – harte körperliche Arbeit, niedrige Löhne, kein sozialer Schutz und fehlende Krankenversicherung. Die Ampel-Regierung wollte es besser machen und kündigte im Koalitionsvertrag vollmundig an, „für Saisonbeschäftigte sorgen wir für den vollen Krankenversicherungsschutz ab dem ersten Tag“. Soweit die Theorie, in der Praxis erleben wir nun die zweite Erntesaison nach Amtsantritt der Ampel – leider noch immer ohne den versprochenen „vollen Krankenversicherungsschutz“ – sondern mit teils problematischen sogenannten privaten Gruppen-Krankenversicherungen, die nur unzureichenden Schutz bieten. Wir haben auch hier einen Antrag vorgelegt, der darauf abzielt, die Bedingungen zu verbessern. Unsere Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen habe ich bei meiner Rede im Bundestag erläutert. Union, FDP und AfD sehen darin eine Bedrohung der hiesigen Landwirtschaft. Die EU-Kommission hat unterdessen eine Rüge gegen Deutschland verhängt wegen Verstößen gegen die Saisonarbeits-Richtlinie, die die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern regelt. Verstöße gegen geltendes Arbeitsrecht scheinen eher die Regel als die Ausnahme zu sein: Das kann so nicht weitergehen. Für DIE LINKE ist klar – diese Bedingungen müssen sich ändern, es kann nicht angehen, dass ein so wichtiger Wirtschaftszweig wie die Landwirtschaft auf systematischer Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte basiert.

Fachkräfteeinwanderung

In der letzten Sitzungswoche wurde im Plenum der Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung debattiert. Der Gesetzentwurf verfügt über einige gute Ansätze durch die teilweise unnötige Hürden bei der Einwanderung von Fachkräften abgebaut werden. Es sollen beispielsweise bessere Bedingungen für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse geschaffen werden und die Einwanderung von Fachkräften mit ausgeprägter Berufserfahrung soll erleichtert werden. Gleichzeitig plant die Bundesregierung allerdings auch eine Ausweitung der Einwanderung in Bereichen, in denen ein hohes Ausbeutungsrisiko besteht. So soll die Westbalkanregelung, von 25.000 auf 50.000 Zustimmungen verdoppelt und entfristet werden. Mit der „kurzzeitig kontingentierten Beschäftigung“ soll zudem eine neue Form der Saisonarbeit für Drittstaatsangehörige eingeführt werden. In meiner Rede im Bundestag betone ich, dass gute Arbeitsbedingungen die Voraussetzung für jede Form der Arbeitskräfteeinwanderung sein müssen. Insbesondere dort, wo das Ausbeutungsrisiko hoch ist, braucht es eine Tarifbindung und eine deutliche Ausweitung der Kontrollen von Arbeitgebern. Gleichzeitig müssen Beratungsangebote für ausländische Beschäftigte ausgebaut und verstetigt werden.

Parallel zu einer gezielten Ausweitung der Fachkräfteeinwanderung ist die Bundesregierung auch gefordert, mehr zu unternehmen, um das inländische Arbeitskräftepotenzial zu heben. Neben einer gezielteren Förderung von Arbeitslosen, einem Ausbau der Kita-Plätze und Maßnahmen, um die katastrophale Lage am Ausbildungsmarkt in den Griff zu bekommen, muss der Arbeitsmarkt reguliert und die Tarifbindung erhöht werden. Nur so kann die Arbeit in Bereichen wie der Pflege, der Gastronomie oder dem Bauhandwerk wieder attraktiv gemacht werden. Arbeitskräfte im Ausland für Jobs anwerben, die aufgrund mieser Bedingungen sonst niemand mehr machen möchte, kann keine Lösung für den bestehenden Arbeitskräftemangel in einzelnen Branchen sein. So wird das Problem nur verlagert, anstatt es grundlegend zu lösen.

Auf Grundlage meiner Frage an die Bundesregierung zu den häufig niedrigen Löhnen von Beschäftigten aus den Westbalkanstaaten wurde im RND über das Thema berichtet.


Mit solidarische Grüßen

Susanne