Statt den Haushalt zu kürzen, sollten Reiche besteuert werden. Es gibt kaum Vorstöße der Ampel für höhere Löhne oder eine gerechte Steuerpolitik.
Ein Gastbeitrag von Susanne Ferschl und Matthias W. Birkwald, zuerst erschienen in der Frankfurter Rundschau.

Der Kürzungshaushalt 2024 sorgt für Kritik. Mit Lkw und Traktoren blockierten Trucker, Bäuerinnen und Bauern das Regierungsviertel, um ihre Wut über die Abschaffung der Agrardieselsubventionen und höhere CO₂-Steuern kundzutun. Finanzminister Christian Lindner verkündete unter Buh-Rufen, an den Kürzungen festzuhalten, denn: „Alle müssen ihren Beitrag leisten.“

Leider mangelt es Armen, Beschäftigten und Rentnern an Maschinen und einflussreichen Verbänden, um ihre Wut prominent auf die Straße zu tragen. Das ist aber notwendig, denn betroffen sind alle, die ihren Unterhalt mit abhängiger Arbeit finanzieren.

Kürzungen beim Bürgergeld machen Schatten von Hartz IV sichtbar

Für die Rentenversicherung waren schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Kürzungen des zusätzlichen Bundeszuschusses von 4,4 Milliarden Euro geplant – nun werden es 6,8 Milliarden. Diese Kürzung ist kurzsichtig und schwächt auf lange Sicht die Akzeptanz der gesetzlichen Rente. Denn das fehlende Geld wird schon bald durch höhere Beiträge oder gar Leistungskürzungen gegenfinanziert werden müssen. Das ist sozial ungerecht und läuft dem SPD-Versprechen, keine Leistungen zu kürzen und die Rente zukunftsfest zu machen, diametral entgegen.

Die Kürzungen beim Bürgergeld machen den langen Schatten von Hartz IV wieder sichtbar. Die Wiederaufnahme von Totalsanktionen im Bürgergeld ist schlicht Buckeln vor dem Zeitgeist des „Nach-unten-Tretens“, soll Angst schüren und Druck auf Niedriglohnbeschäftigte ausüben. Denn die Zahl der Bürgergeldbeziehenden, die wegen Verweigerung einer Arbeitsaufnahme sanktioniert wurde, ist verschwindend gering.

Sanktionen beim Bürgergeld: Menschen müssen miese Jobs behalten

Wie trotzdem 170 Millionen Euro eingespart werden sollen, bleibt schleierhaft. Die Bundesregierung sagt, dass es sich um „eine Schätzung auf Grundlage der bisher bekannten Leistungsminderungen sowie einer präventiven Wirkung der Neuregelung“ handele, die „bewirkt, dass Personen idealerweise gar nicht erst bedürftig werden bzw. bleiben, weil sie künftig zumutbare Arbeitsangebote nicht ablehnen oder ihre Arbeit bereits zuvor nicht aufgeben.“

Kurzum: Die Wiedereinführung der Totalsanktionen soll Menschen davon abhalten, ihren Anspruch auf Bürgergeld geltend zu machen und sie zwingen, miese Jobs zu behalten. Selbst, wenn der Lohn so niedrig ist, dass er mit Bürgergeld aufgestockt werden muss.

Das ist zynisch. Der gesetzliche Mindestlohn wurde jüngst nur um mickrige 41 Cent angepasst. Viele Bürgergeldbeziehende arbeiten bereits – das Geld reicht aber nicht aus, um ihren Bedarf zu decken. Dagegen helfen weder schärfere Sanktionen noch Hartz IV durch die Hintertür, sondern eine stärkere Tarifbindung und ein armutsfester Mindestlohn von 60 Prozent des mittleren Einkommens. Das ist angesichts der nicht endenden Teuerung der Lebenshaltungskosten bitter notwendig.

Kritik an Ampel: Finanzielle Ungleichheit nimmt weiter zu

Während die Belastungen für die breite Bevölkerung wachsen, nimmt die Ungleichheit bei Vermögen und Einkommen immer weiter zu. In Deutschland besitzen die fünf reichsten Familien mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Unter den reichsten Deutschen befinden sich auch die Besitzer großer Einzelhandelsketten, wie Dieter Schwarz – Eigentümer von Lidl und Kaufland. Die Beschäftigten im Einzelhandel hingegen erleiden Reallohnverluste und kämpfen seit Monaten für eine Erhöhung ihrer Stundenlöhne um 2,50 Euro.

Das Festhalten am Niedriglohnmodell zahlt sich für die Reichen aus. Zu Jahresbeginn veröffentlichte Oxfam, dass der Reichtum in Deutschland gestiegen ist. Das Gesamtvermögen der reichsten Deutschen ist um 70 Prozent auf 155 Milliarden angewachsen.

Politik der Ampel stärkt die AfD

Ernsthafte Vorstöße der Ampel-Regierung für höhere Löhne, mehr Tarifbindung und eine gerechte Steuerpolitik sucht man vergebens. Stattdessen wird mit der CO₂-Steuer die Belastung für die breite Bevölkerung weiter erhöht. Das zum Ausgleich von der Ampel-Regierung versprochene Klimageld gibt es nicht. Diese Politik ist verheerend und stärkt nur die AfD.

Im Interesse der Vielen bedarf es einer Kehrtwende! Statt nach unten zu treten und die Mitte immer weiter zu belasten, muss der Reichtum gerechter verteilt werden, etwa durch eine Vermögensabgabe für Multimillionäre. Damit könnten langfristig rund 310 Milliarden Euro eingenommen werden, um Armut zu bekämpfen und in eine gute Zukunft für alle zu investieren. Superreiche müssen endlich zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden. Denn Reichtum ist wie Mist: Auf einem großen Haufen stinkt er – gut verteilt düngt er.

Susanne Ferschl ist Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke.
Matthias W. Birkwald ist ebenfalls für die Linke im Bundestag.

Zum Original-Beitrag:

„Ampel-Politik ist verheerend und stärkt nur die AfD“ (fr.de)