Auswertung Schriftlichen Frage (Arbeitsnummer 385, November 2023):      

 1. Entwicklung der Tarifbindung in der Gesamtwirtschaft & im Einzelhandel bundesweit

  • die Tarifbindung im Einzelhandel ging im Vergleich zur Gesamtwirtschaft deutlich schneller zurück: Zwischen 2012 und 20222 ging der Anteil tarifgebundener Betriebe im Einzelhandel um 38 Prozent zurück (in der Gesamtwirtschaft betrug der Rückgang 19,4 %): War 2012 immerhin noch knapp jeder Dritte Betrieb (29%) tarifgebunden, war es 2022 nicht mal mehr jeder Fünfte (18%)
  • dementsprechend verringerte sich auch der Anteil der Tarifbeschäftigten im Einzelhandel erheblich: Waren 2012 immerhin noch fast jede und jeder Zweite (48 %) tarifvertraglich geschützt, war es 2022 nur noch etwa jede und jeder Vierte (26 %): Das entspricht einem Rückgang um 42 Prozent (in der Gesamtwirtschaft betrug der Rückgang im selben Zeitraum „nur“ 12 %)

2. Bruttostundenverdienste von Einzelhandelsbeschäftigten in tarifgebundenen und nicht-tarifgebundenen Unternehmen (Quelle: Verdiensterhebung Oktober 2022)

  • die systematische Tarifflucht der Arbeitgeber im Handel macht sich auch bei der Lohnentwicklung bemerkbar: Die Lohndifferenz zwischen tarifgebundenen und nicht-tarifgebundenen Teilzeitbeschäftigten in Einzelhandels-Unternehmen deutschlandweit betrug im Mittel 3,00 Euro, bei Vollzeitbeschäftigten 4,22 Euro pro Stunde
  • Einzelhandelsbeschäftigte in nicht-tarifgebundenen Unternehmen in Bayern verdienten pro Stunde 2,37 Euro (Teilzeit) und 3,20 Euro (Vollzeit) weniger als Beschäftigte, die der Tarifbindung unterlagen

3. Löhne im Einzelhandel unterhalb von 14 Euro (Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes auf Basis der Verdiensterhebung Oktober 2022)

  • bundesweit verdienten im Oktober 2022 1,25 Mio. Beschäftigte im Einzelhandel weniger als 14 Euro pro Stunde (45%), darunter 415.000 Männer (44%) und 834.000 Frauen (46%)
  • im Osten verdienten 58 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel weniger als 14 Euro in der Stunde
  • in Bayern waren es mit 206.000 insgesamt 42 Prozent, die weniger als 14 Euro pro Stunde verdienten

Hintergrund:

Die Gewerkschaft ver.di fordert in der Tarifrunde für den Handel die Erhöhung der Löhne und Gehälter um 2,50 Euro in der Stunde und der Ausbildungsvergütung um 250 Euro pro Monat. Außerdem sollen die unteren Lohngruppen auf „ein rentenfestes Mindesteinkommen“ von 13,50 Euro angehoben werden. Angestrebt wird darüber hinaus Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge und eine kurze Laufzeit von 12 Monaten.

https://handel-bayern.verdi.de/einzelhandel/tarifbewegung/++co++7106b402-c35b-11ed-8686-001a4a160100