Auswertung der Kleinen Anfrage »Prekäre Beschäftigung in Deutschland« (BT-Drucksache 20/10509) von Susanne Ferschl u.a. und der Gruppe DIE LINKE im Bundestag.
Zusammenfassung:
Auch wenn prekäre Beschäftigung in Deutschland den letzten 10 Jahren auf dem Rückzug ist und sich die Mindestlohnerhöhungen positiv auswirken, ist gerade in den letzten beiden Krisenjahren wieder ein Anstieg der geringfügig Beschäftigten zu verzeichnen. So liegt die Anzahl der geringfügig Beschäftigten mit 7,86 Millionen im Jahr 2023 um 237.600 Personen höher als Vorjahr 2022 und ist nun wieder auf einem vergleichbaren Niveau wie im Jahr 2018. Weiterhin arbeiten Frauen öfters ausschließlich geringfügig als Männer. Im Jahr 2023 waren 8,9% der Männer (gerundet 1,8 Millionen Personen) und 14,1% der Frauen (gerundet 2,6 Millionen Personen) ausschließlich geringfügig beschäftigt.
Hierbei gibt es in den einzelnen Branchen erhebliche Unterschiede, gerade im Gastgewerbe verbleiben fast zwei von drei der atypischen Beschäftigungsverhältnisse weiterhin im Niedriglohnsektor. Im Gastgewerbe arbeiten von 1,1 Millionen der Beschäftigten fast zwei Drittel (65,8%) für unter 14 Euro Stundenlohn und somit im Armutsbereich. Auch im Landwirtschaftlichen Bereich sind über die Hälfte (53,8%) der 190.000 der Beschäftigungsverhältnisse zu unter 14 Euro Stundenlohn beschäftigt. Dass ein höherer Mindestlohn hier eine wichtige Maßnahme wäre, zeigen die Auswirkungen der letzten kräftige Mindestlohnerhöhung im Jahr 2022, denn zwischen der Erhöhung im April 2022 (Mindestlohn stand bei 9,82 Euro) und April 2023 (12,00 Euro) gab es einen besonders starken Rückgang der Niedriglohnquote unter atypisch Beschäftigten – in Ostdeutschland gab beispielsweise es einen Rückgang um 7% von 43,5% im April 2022 auf 36,5% im April 2023.
Mit Bezug auf Teilzeitentwicklungen am Arbeitsmarkt federn die ausländischen Beschäftigten nicht nur stark den demografischen Wandel ab, sondern auch den Trend der Beschäftigten mit deutschem Pass in die Teilzeit zu gehen (Deutsche haben ausländische Beschäftigte in den letzten 10 Jahren überholt und sind nun um 3,2% häufiger teilzeitbeschäftigt). Problematisch bleibt im Bereich der Mitbestimmung, dass die Bundesregierung keinerlei Statistik betreffend die Durchsetzung und Anwendung der Gesetze zur Unternehmensmitbestimmung in Deutschland führt z.B. bzgl. der Unternehmensumwandlungen in die Rechtsform SE (Societas Europaea). Rückschritte oder Fortschritte beim Schutz der Unternehmensmitbestimmung können somit nicht überprüft werden.
In der Leiharbeit ist in der Statistik für 2023 ersichtlich, dass diese Form der Beschäftigung eben nicht nur ein Instrument für Ungelernte in den Berufseinstieg ist, denn von den Leiharbeitnehmenden verfügten nur 235.000 über keinen anerkannten Berufsabschluss, 375.000 besaßen einen Berufsabschluss und 83.000 hatten sogar einen akademischen Berufsabschluss. Weit über die Hälfte der Leiharbeitnehmenden arbeiten also unterhalb ihres Qualifikationsniveaus. Durchschnittlich verdienen Leiharbeitnehmende noch immer 38,2% weniger als ihre sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten in der Kerngruppe, das entspricht 1392 Euro weniger (in Werbung und Marketing sind es sogar über 50%, denn -2.233 Euro entspricht -51,7%
weniger).
O-Ton Susanne Ferschl, gewerkschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Gruppe Die Linke im Bundestag:
„Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro war ein wichtiger Schritt, aber hat den Niedriglohnsumpf nicht ausgetrocknet. Der einseitige Beschluss zur Mindestlohnerhöhung um mickrige 41 Cent gegen die Stimme der Gewerkschaften, hat deutlich gemacht, dass das nicht die Zielsetzung der Mindestlohnkommission ist. Zumindest nicht die der Arbeitgeber, deren Wunsch nach billigen Arbeitskräften ist ungebrochen. Um diese Missachtung von Tarifautonomie und auch europäischer Gesetzgebung zurückzuweisen und Erwerbsarmut erfolgreich zu bekämpfen, muss der der Gesetzgeber tätig werden. Die Linke fordert, im Mindestlohngesetz festzuschreiben, dass der Mindestlohn nicht unterhalb von 60 Prozent des mittleren Lohns liegen darf. So sieht es eine Richtlinie der EU vor, die ohnehin bis November 2024 umgesetzt werden muss. Das entspricht aktuell mindestens 14 Euro und käme Millionen Beschäftigten zugute.“
Die Auswertung zum herunterladen: