Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Es ist Euch sicher nicht entgangen, dass meine Fraktion DIE LINKE seit geraumer Zeit weit mehr mit innerparteilichen Auseinandersetzungen, persönlichen Erklärungen und aktuell der Frage nach der neuen Fraktionsspitze in den Medien präsent ist, als mit inhaltlichen Themen. Damit dieser Elefant im Raum nicht unkommentiert bleibt, möchte ich mich hier dazu äußern:
Mit dem über Presse und soziale Medien ausgetragenen innerparteilichen Streit haben wir uns in eine Situation hinein manövriert, in der Misstrauen und persönliche Verletzungen regieren. Wir sind nicht ausreichend handlungsfähig, weil wir uns mehr über die eigenen Leute empören als über den politischen Gegner. Eine desaströse Lage, die ich aus meiner gewerkschaftlichen Politikpraxis so nicht kannte und auch nicht nachvollziehen kann. Nun weiß ich als ehemalige Betriebsratsvorsitzende natürlich um Konflikte und Lagerbildungen in Gremien. Aber so wie sich im Betrieb der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen nicht allein führen lässt, braucht der Kampf für eine gerechtere Gesellschaft eine starke LINKE. Stark aber ist DIE LINKE nur, wenn wir uns nicht aufspalten.
Es wird Zeit, den innerparteilichen Streit so zu führen, dass er uns stärkt.
Das setzt auf allen Seiten ein Mindestmaß an Grundsolidarität voraus. Statt uns gegenseitig zu bekämpfen, müssen wir den politischen Gegner in den Fokus nehmen. Ich denke, wir müssen die Unklarheit über unsere Schwerpunktsetzung klären und dabei eine Streitkultur entwickeln, die uns nicht entzweit. Damit wir eine starke LINKE in den sozialen Auseinandersetzungen haben. Dazu müssen wir anfangen zusammenzustehen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.
Denn in der politischen Großwetterlage kann auf eine starke LINKE nicht verzichtet werden. Erinnert Euch: Als die damalige PDS vor 20 Jahren nur noch mit zwei Direktmandaten, nicht aber in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten war, wurde die Agenda 2010 durchs Parlament gedrückt. Mit den Folgen auf dem Arbeitsmarkt und in den sozialen Sicherungssystemen kämpfen wir noch heute. Schuldenbremse und Kriegshaushalt werden die Probleme weiter verschärfen. Und wieder fordern führende Lobbyverbände eine Agenda 2030. Es braucht also gerade jetzt eine starke LINKE, die in der Lage ist, Angriffe auf Lohnabhängige abzuwehren und sich in außerparlamentarischen Bündnissen für ein friedliches und gerechtes Leben für Alle einzusetzen. Wir alle sind gefordert, unsere gesellschaftliche Rolle anzuerkennen und gemeinsam wahrzunehmen. Denn linke Politik ist kein Selbstzweck, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Dafür engagiere ich mich in der Fraktion und setze meine parlamentarische Arbeit zugleich engagiert fort. Durch parlamentarische Anfragen mit Nutzwert stelle ich Tag für Tag den Mehrwert linker Oppositionspolitik im Bundestag für Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften unter Beweis.
Die sitzungsfreie Zeit während der Sommerpause des Parlaments haben wir genutzt, um uns bei der Bundesregierung nach aktuellen Daten und Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zu erkundigen. Die Ergebnisse stellen wir Euch unter anderem im Folgenden vor.

Haushalt 2024: Kriegswirtschaft statt sozialer Zusammenhang

In der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause war direkt Haushaltswoche angesagt. Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das kommende Jahr wurde in erster Lesung im Bundestag beraten. Die veranschlagte Höhe des Gesamthaushalts beläuft sich auf 445,7 Mrd. Euro. Finanziert wird diese Summe zu einem Großteil durch Einnahmen aus Mehrwert- und Lohnsteuer (68 %). Abgeltungs- und Körperschaftssteuer (Steuern auf Kapitalerträge und Unternehmensgewinne) tragen hingegen nur 7 % zur Finanzierung bei. Das verdeutlicht die existierende soziale Ungerechtigkeit und zeigt, wer hier im Land eigentlich wirklich alles bezahlt. Nämlich die normalen Bürger und abhängigen Beschäftigten, während die teils horrenden Gewinne von Konzernen und Großaktionären im Verhältnis dazu kaum belastet werden.
Auch was die Regierung auf der Ausgabenseite plant, ist absolut ernüchternd. Während die
Verteidigungsausgaben im und am Haushalt vorbei um 25 % auf unglaubliche 87 Milliarden Euro
steigen, steht in so gut wie allen anderen Bereichen eine wahre Kürzungsorgie bevor. So sollen im
kommenden Jahr gegenüber 2023 beispielsweise 6% (1,2 Milliarden) weniger für Bildung und
Forschung, 17% (480 Millionen) weniger für Wohngeld und 4% (290 Millionen) weniger für
Elterngeld ausgegeben werden. Beim zusätzlichen Bundeszuschuss für die Rentenversicherung
sollen 600 Millionen (-2% gegenüber 2023) eingespart werden und die Mittel der Jobcenter für
Verwaltung und für die Eingliederung in Arbeit sollen um insgesamt 400 Millionen (-4 Prozent)
Euro gekürzt werden. Die Liste der geplanten Einsparungen ließe sich endlos fortsetzen. Die
Kindergrundsicherung ist der Bundesregierung ab 2025 hingegen gerade einmal 2,4 Milliarden
Euro wert. Das alles zeigt: Die Bundesregierung setzt weiterhin auf Turbo-Aufrüstung – sie hat ein
Herz für Panzer aber keines für die Kinder und die Menschen im Land. Das alles passiert in einer
Zeit, in der wir erleben, dass unsere Gesellschaft an vielen Stellen immer schlechter funktioniert.
Das unbeirrte Festhalten an der Schuldenbremse beschleunigt die Wirtschaftskrise und die
immensen Kürzungen in zentralen Bereichen bedeuten eine akute Gefahr für den sozialen Frieden.
Statt Kürzungen brauchen wir Investitionen in die Zukunft – für soziale Gerechtigkeit und eine
stabile Gesellschaft und gegen den Klimawandel. Wenn es möglich ist, am Haushalt vorbei
Milliarden in die Bundeswehr zu investieren, muss das auch Soziales, Bildung, Infrastruktur und
Klimaschutz gehen. Ein weiterer Weg, den Haushalt zu stärken und gleichzeitig für mehr soziale
Gerechtigkeit zu sorgen, wäre es, die Vermögenden in diesem Land über ein gerechteres
Steuersystem endlich stärker zu Finanzierung heranzuziehen. Aber das ist mit dieser
Bundesregierung undenkbar.
Im Bundestag habe ich eine Rede zu den veranschlagten Haushaltsmitteln im Bereich Arbeit und
Soziales gehalten und darin meiner Kritik an den Einsparungen bei der Rentenversicherung und den
Mitteln der Jobcenter geäußert. Meine Rede könnt ihr Euch hier anschauen.

Teilzeit

Die Ampel investiert viel zu wenig gegen die ungewollte Teilzeit und das verschärft Probleme auf
vielen Ebenen. zu dem Thema hat ergeben, dass der Anstieg der Teilzeit in den letzten 10 Jahren
um fast 5 Prozent auf nun 29,7 Prozent (insgesamt 10,2 Millionen Beschäftigte im Jahr 2022) eben
nicht nur auf Freiwilligkeit beruht. Vielmehr arbeiten 23% der Männer und 28% der Frauen
weniger als sie gerne würden. So ist es bei Frauen noch immer vor allem die Betreuung der Kinder
(27 Prozent) die Arbeiten in der Vollzeit verhindert, aber auch die Betreuung von Pflegebedürftigen
oder behinderten Menschen (17 Prozent). Damit vor allem Frauen also mehr am Arbeitsmarkt
teilhaben können, braucht es endlich wie von uns gefordert, die konsequente Umsetzung des
Anspruchs auf einen Kitaplatz und eine bessere Pflegeinfrastruktur. Leider passiert jedoch nicht das
was nötig wäre, um diesen Problemen zu begegnen. Mit Lindners aktuellen Sparpolitik, d.h. ohne
ausreichende Investitionen in Pflege und Kitas, werden sich im Gegenteil diese Probleme weiter
verschärfen. Das ist aber nicht nur ein Problem für die Gleichstellung, sondern die ungewollte
Teilzeit verschärft natürlich auch den Fachkräftemangel. Auch was Armut angeht, ist die
Teilzeitfrage relevant: Je kürzer die Teilzeit ist, desto höher ist statistisch gesehen auch der
Niedriglohnanteil bei der betroffenen Beschäftigtengruppe. Die Teilzeitdebatte bleibt also zentral,
nicht nur für Gleichberechtigung, sondern auch für den Fachkräftemangel und bei Armut. Auch
deswegen war das mediale Interesse an unserer kleinen Anfrage hoch: neben einem ausführlicheren
Bericht in der, veröffentliche die Süddeutsche Zeitung im Druck und Onlineformat (Artikel ohne
Paywall).


Altersarmut

In Großstädten gehören sie inzwischen fest ins Stadtbild: Ältere Menschen, die Pfandflaschen
einsammeln. Altersarmut ist eine traurige Realität, von der nach wie vor überwiegend Frauen,
jedoch auch immer mehr Männer betroffen sind, wie die Auswertung meiner Kleinen Anfrage
belegt. Ursächlich dafür sind vor allem gebrochene Erwerbsbiografien, aufgrund von
Arbeitslosigkeit etwa, sowie niedrige Löhne, die sich um die Jahrtausendwende, im Gefolge der
Agenda 2010-Politik, ausgebreitet hatten. Die Folge ist, dass Neurentner, die heute in die Ruhestand
treten, im Schnitt 100 Euro weniger Rente erhalten als Senioren, die bereits längere Zeit eine
Altersrente beziehen. Da verwundert es kaum, dass immer mehr Menschen auch im Ruhestand
weiterarbeiten. Die Zahl der Minijobbenden oberhalb der Regelaltersgrenze ist zwischen 2012 und
2022 um ein Viertel gestiegen. Notwendig ist ein Doppelschritt für höhere Renten, nämlich eine
Erhöhung des gesetzlichen Rentenniveaus auf das Vor-Agenda-Niveau von 53 Prozent und höhere
Löhne. Das garantieren am wirksamsten Tarifverträge, deshalb braucht es schnellstmöglich ein
robustes Tariftreuegesetz (hier unser Antrag dazu) und als untere Haltelinie einen gesetzlichen
Mindestlohn, der sich als Untergrenze an der Schwelle von 60 Prozent des mittleren Lohn orientiert.
Das entspräche aktuell einem Mindestlohn von 14 Euro. Die Augsburger Allgemeine hatte über die
Anfrage berichtet.

Leiharbeit, Fachkräfteeinwanderung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in Bayern

Um euer Postfach nicht zu stark zu beanspruchen, verzichten wir darauf, alle Initiativen detailliert
vorzustellen, möchten Euch aber auf unsere anderen Anfragen und die Presseberichterstattung
trotzdem gern hinweisen. Die Auswertungen findet ihr stets aktualisiert auf meiner Homepage
susanne-ferschl.de/parlamentarisches/
Anfragen zum Thema Leiharbeit haben wir gestellt, um den Mythos zu entkräften, dass nur
Ungelernte in der Leiharbeit tätig seien, problematische Regelungen des neuen
Fachkräfteeinwanderungsgesetzes haben wir unter die Lupe genommen und aktuelle Daten zur
Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Sozialpolitik im Freistaat Bayern abgefragt.

Solidarische Grüße
Eure Susanne Ferschl