Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeitszeiten der Beschäftigten sind zu dokumentieren, und zwar der Anfang, das Ende und deren Dauer. Das sagt nicht nur Die Linke, sondern das sagt letztendlich auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Mai letzten Jahres.

Aktuell werden Hunderttausende Beschäftigte um ihren Lohn geprellt, weil die Arbeitszeiten nicht richtig dokumentiert werden. 1 Milliarde unbezahlte Überstunden waren es allein 2019, und die Jahre davor sah es nicht besser aus. Wie lange will denn die Bundesregierung diesen unhaltbaren Zustand noch akzeptieren?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe ja mittlerweile begriffen, dass die Mühlen des Parlaments bisweilen langsam mahlen; aber nach zehn Monaten ist immer noch keine Gesetzesinitiative in Sicht. Das Einzige, was in Sicht ist, ist die Aufführung des nächsten GroKo-Theaters. Der vorherige Akt in diesem Theater war die Grundrente, uns allen gut in Erinnerung: Die Union hat blockiert, monatelanger Streit, und raus kam lediglich ein Minikompromiss.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Wir sind ja noch nicht fertig!)

Und jetzt, beim Thema Arbeitszeit, ist es so: Das SPD-geführte Arbeitsministerium hat zum Urteil ein Gutachten in Auftrag gegeben, dieses dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Verfügung gestellt und klar festgestellt: Es gibt gesetzgeberischen Handlungsbedarf.

(Bernd Rützel [SPD]: Das machen wir ja auch!)

Und was macht das CDU-geführte Wirtschaftsministerium? Es gibt auch ein Gutachten in Auftrag, das im Übrigen zum gleichen Ergebnis kommt,

(Bernd Rützel [SPD]: Ja!)

und enthält den gewählten Parlamentariern das Gutachten monatelang vor.

(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Hört! Hört!)

Erst durch massiven Druck ist es gelungen, dafür zu sorgen, dass uns dieses Gutachten zur Verfügung gestellt wurde. Das ist ein inakzeptabler Vorgang für dieses Parlament.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Johannes Vogel [Olpe] [FDP] – Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Da muss ich mal mitapplaudieren!)

Und es wird nicht besser. Jetzt verweigert sich das Wirtschaftsministerium auch noch der Empfehlung des eigenen Gutachtens. Es schreibt, es komme zu der Einschätzung, dass kein zwingender Handlungsbedarf vorliegt, sondern vielmehr die Höchstarbeitszeiten anzupassen sind. Meine Damen und Herren von der Union, das ist wirklich absurd; das ist Politik auf dem Rücken der Beschäftigten.

(Beifall bei der LINKEN)

Hören Sie doch endlich auf, sich wie auf dem Wochenmarkt zu benehmen, nach dem Motto: Tausche Arbeitnehmerschutz gegen mehr Flexibilität.

(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Also, so funktioniert kein Wochenmarkt in Deutschland! Tut mir leid, Frau Ferschl!)

Hier wird die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel gesetzt. Überlange Arbeitszeiten machen krank, genauso zu kurze Ruhezeiten. Das sagt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Permanent quatscht die Union davon, sie sei die Mitte und mache Politik für die Mitte.

(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Wir sitzen ja auch in der Mitte!)

Ja sind 40 Millionen Beschäftigte vielleicht keine Mitte?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Doch! Deswegen machen wir ja auch was!)

Permanent stellt sich die Union als Partei dar, die den Rechtsstaat durchsetzen will.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Jawohl!)

Aber EU-Recht umsetzen ist nicht, oder wie? In bester Andreas-Scheuer-Manier stellt man sich hin und sagt: Was interessiert mich das Geschwätz des Europäischen Gerichtshofs?

(Beifall bei der LINKEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Keiner von uns hat gesagt, dass wir das Urteil nicht umsetzen wollen, Frau Ferschl!)

An die Adresse der gesamten Großen Koalition sage ich ganz deutlich: Wir brauchen keine tariflichen Öffnungsklauseln, und wir brauchen keine Experimentierräume.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Arbeitszeitgesetz ist hochflexibel. Wer das bestreitet, hat von der betrieblichen Realität keine Ahnung.

(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Haben die auch wirklich nicht!)

Ich war 17 Jahre lang Gesamtbetriebsratsvorsitzende in einem Unternehmen mit unterschiedlichen Standorten. An keinem dieser Standorte ist irgendein Produkt nicht produziert worden oder irgendeine Arbeit nicht erledigt worden aufgrund des Arbeitszeitgesetzes.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Leni Breymaier [SPD])

In der europäischen Arbeitszeitrichtlinie steht – ich zitiere –:

„Die Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer … stellen Zielsetzungen dar, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen.“

Schreiben Sie sich das endlich hinter die Ohren.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Wenn ich es mir hinter die Ohren schreibe, kann ich es nicht lesen!)

Setzen Sie endlich den Auftrag des Europäischen Gerichtshofs um. Um nichts anderes geht es in unserem Antrag;

(Beifall bei der LINKEN)

denn jede Stunde Arbeit und jeder Arbeitnehmer zählt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)