Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit dem Austritt von Sahra Wagenknecht und neun weiteren Abgeordneten aus der Linken Ende Oktober, war auch das bevorstehende Ende der Fraktion im Bundestag besiegelt.

Ab dem 6. Dezember beginnt die Abwicklung der Fraktion. Ich empfinde das nicht als Befreiungsschlag, sondern als eine herbe Niederlage, weil es nicht gelungen ist, einen gemeinsamen Weg zu finden. Auch einseitige Schuldzuweisungen lehne ich ab, denn Fehler wurden, aus meiner Sicht, auf allen Seiten gemacht. 

Daher habe ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten lange dafür eingesetzt,  eine Spaltung der Fraktion und der Partei zu verhindern. Denn ich bin davon überzeugt, dass eine Spaltung die gesellschaftliche Linke immer in ihrer Handlungsfähigkeit schwächt.

Schwäche und innerlinke Selbstbeschäftigung können wir uns aktuell angesichts des drohenden Spar-Haushalts und der geplanten Kürzungsorgie bei vielen so wichtigen sozialen Projekten, des gesellschaftlichen Rechtsrucks sowie der gefährlichen Aufrüstungsspirale wirklich nicht leisten.

Gerade deshalb gilt es jetzt nach vorn zu schauen. Für mich ist völlig klar: Es braucht eine glaubhafte sozialistische Partei links von der Sozialdemokratie, die dafür eintritt, das Land friedenstüchtig, solidarisch und sozial zu machen. In Zeiten, in denen alle Parteien davon reden, wie man Migranten abwehren und schneller abschieben kann, möchte ich den britischen Gewerkschafter Paul Nowak zitieren, der es auf den Punkt brachte: „Die wahren Feinde der Arbeiterklasse kommen nicht in kleinen Booten, sie fliegen mit einem Privatjet!“ Recht hat er, genau deshalb  braucht es eine starke Linke, die dem fraktionsübergreifend entsolidarisierendem Rechtsruck die Stirn bietet – es wäre dramatisch, wenn künftig der Druck auf die Ampel-Regierung nur noch von rechts käme.

Das Ende der Fraktion schwächt Die Linke im Parlament erheblich, denn wir verbliebenen Einzel-Abgeordneten haben zukünftig weniger Redezeit und nur sehr stark eingeschränkte Rechte, Anträge einzureichen. Parlamentarische Initiativen wie Kleine Anfragen, kann ich vorerst gar nicht mehr einreichen. Aber aufgeben gilt nicht: Denn weiterhin können wir andere parlamentarische Mittel, wie schriftliche Einzelfragen, nutzen, um Zahlen und Sachverhalte bei der Bundesregierung zu erfragen. Das werde ich nutzen, um auch zukünftig auf Missstände aufmerksam zu machen!

Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass sich Die Linke alsbald um einen sogenannten „Gruppen“-Status bemühen wird, mit dem dann auch wieder deutlich mehr Möglichkeiten parlamentarischer Arbeit und öffentlich-medialer Sichtbarkeit einhergehen werden.

Zentral ist dann aber, dass wir diese neue Chance auch nutzen und als Gruppe Die Linke im Bundestag Einigkeit finden und zukünftig endlich mit einer Stimme sprechen. Es braucht gerade jetzt Druck für eine sozial gerechte Politik, die große Vermögen und Einkünfte stärker besteuert. Das Geld für notwendige Investitionen in die Infrastruktur und die Transformation der Wirtschaft ist vorhanden in diesem reichen Land. Es braucht aber den politischen Willen, darauf zuzugreifen.

Das tut Not, denn Inflation, Wirtschaftskrise und Krieg bergen das Potential, die Gesellschaft noch ungerechter zu machen – schon wieder nehmen die Angriffe auf den Sozialstaat Fahrt auf.

Bereits Anfang der 2000er Jahre wurde mit der Agenda 2010-Politik der Sozialstaat verstümmelt und der Arbeitsmarkt mit verheerenden Folgen dereguliert. Aber es gab auch erheblichen Widerstand, der zur Gründung der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) – eine der Vorgängerparteien der Linken – geführt hatte. Auch heute gilt es, für einen Schulterschluss mit den Gewerkschaften zu kämpfen, denn ohne eine starke Linke und ohne starke Gewerkschaften werden die Angriffe der Bundesregierung auf Sozialstaat und friedenspolitische Grundsätze nicht abzuwehren sein.

Aus dieser Erfahrung lernen heißt: Wir haben es als Partei Die Linke selbst in der Hand, uns strategisch zu erneuern und einen neuen Aufbruch einzuleiten.

Ich bleibe im Parlament und werde weiterhin die Interessen der abhängig Beschäftigten vertreten, das heißt, mich für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für Alle hier lebenden und arbeitenden Menschen einzusetzen, was Friedenspolitik genauso einschließt, wie Klima- und Migrationspolitik.

Solidarische Grüße

Eure Susanne Ferschl