Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Keine Stunde Arbeit ohne soziale Absicherung, das muss doch die Lehre aus dieser Krise sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Regulär und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte konnten in großen Teilen Kurzarbeit in Anspruch nehmen, und das ist gut so. Auf der anderen Seite wurden Tausende Minijobber sofort vor die Tür gesetzt: zuverdienende Rentnerinnen und Rentner, Studierende, Menschen im Niedriglohnbereich, die sich ihr Einkommen durch einen Minijob aufstocken, usw. 850 000 Menschen haben so ihren Job verloren.

Das Minijob-Versprechen „Brutto ist gleich Netto“ wurde für diese Beschäftigten zum Bumerang. Es besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sie sind sofort dem Sanktionsregime von Hartz IV ausgeliefert. Und ausreichende Rentenansprüche kann man so auch nicht erwerben.

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Wohl wahr!)

Diese Beschäftigungsform ist frei vom sozialen Schutz, und deswegen muss ihr endlich Einhalt geboten werden.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Stimmt doch gar nicht!)

Wenn man genauer hinsieht, dann stellt man fest, dass Minijobs in mehrerlei Hinsicht zum Nachteil der Beschäftigten sind; denn sie sind doppelt und dreifach prekär. Fast die Hälfte der Minijobber hat nur einen befristeten oder gar keinen Arbeitsvertrag. Die Löhne liegen häufig unter denen von regulär Beschäftigten. Und als Betriebsrätin habe ich oft genug mitgekommen, dass die Arbeitgeber den Minijobbern Urlaubsansprüche und Sonderzahlungen, zum Beispiel das Weihnachtsgeld, verweigern.

Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – alles Dinge, die für Minijobber häufig nicht gelten. Deswegen haben Arbeitgeber trotz der höheren pauschalen Sozialabgaben ein so großes Interesse daran. Beschäftigte im Minijob werden nämlich zu oft als billige Arbeitskräfte missbraucht, und damit muss Schluss sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Manche Arbeitgeber splitten bisweilen Vollzeitstellen in mehrere Minijobs auf. So werden reguläre Jobs verdrängt. Die Zahl der Minijobs ist seit 2003 um 43 Prozent gestiegen. So entgehen den Sozialversicherungen jährlich mehrere Millionen Euro.

Was macht die Regierung? Jetzt in der Krise, in der offensichtlich geworden ist, welche Probleme Minijobs mit sich bringen, weitet sie als eine der ersten Krisenmaßnahmen die Minijobs auch noch aus. Das ist doch absurd.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Union schlägt dem Ganzen den Boden aus, wie immer, wenn es um Arbeitnehmerschutz geht. Sie will die Verdienstgrenze bei Minijobs auch noch anheben. Statt bis 450 Euro soll künftig bis 600 Euro sozialversicherungsfrei gearbeitet werden.

(Torbjörn Kartes (CDU/CSU): Nicht nur die Union!)

Die FDP setzt mit ihrem Antrag noch eins oben drauf. Sie will, dass die Verdienstgrenze mit dem Mindestlohn mitwächst. Den Antrag haben Sie doch vor zwei Jahren schon einmal gestellt.

(Dr. Matthias Bartke (SPD): Das ist Ihnen ja völlig fremd!)

Das ist der immer gleiche Griff in die neoliberale Mottenkiste.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch eine Erhöhung des Mindestlohns reduziert sich die Stundenzahl der Beschäftigten. Ja, das haben Sie richtig erkannt. Das ist auch gut so, meine Damen und Herren. Wenn Arbeitgeber mehr Stunden brauchen, dann sollen sie die Menschen in sozialversicherungspflichtigen Jobs anstellen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Gabriele Hiller-Ohm (SPD) und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bei einer Anhebung der Verdienstgrenze verlieren eine halbe Million sozialversicherungspflichtig Beschäftigte den Schutz. Das ist die Arbeitsmarktpolitik von Union und FDP. Ich will Ihnen einmal etwas sagen, meine Damen und Herren von der FDP: Ich habe mir Ihren Antrag angesehen. Schon bei dem ersten Satz habe ich einen dicken Hals und Bluthochdruck bekommen. Ich zitiere einmal:

Minijobs sind für viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland eine Möglichkeit, im geringen Umfang zu arbeiten und trotzdem ein gutes Einkommen zu erzielen …

Das schreiben Sie, obwohl Ihnen bekannt ist, dass 70 Prozent der Minijobbenden einen Stundenlohn unterhalb der Niedriglohnschwelle haben. Das ist wirklich zynisch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Frauen in der Union sind einen Schritt weiter. Ich zitiere aus dem Beschluss des Vorstands der Frauen Union der CDU Deutschlands mit dem Titel „Lessons learned – Jetzt handeln!“ vom 29. Juni 2020:

Mini-Jobs fallen in Krisenzeiten zuerst weg. Gegen diesen Verdienstausfall gibt es keine Absicherung. Die sozialversicherungsrechtlichen Sonderregelungen für auf Dauer angelegte Mini-Jobs müssen entfallen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Das trägt auch zu einer eigenständigen Altersvorsorge bei.

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE))

Ja, da hat die Frauen Union recht.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ja!)

– Ja. – Und ja, es ist ein Frauenthema; denn 60 Prozent der Minijobbenden sind Frauen. Und für diese ist es ein Weg in die Sackgasse; denn Minijobs sind eben keine – wie Sie von der FDP fälschlicherweise in Ihrem Antrag auch behaupten – „Brücke in eine reguläre Beschäftigung“. Deswegen sagen wir: Schluss damit!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Position ist klar: Beschäftigte, egal ob im Hauptjob oder im Hinzuverdienst neben Studium und Rente, brauchen sozialen Schutz. Die Bundesregierung sollte endlich anfangen, die Weichen richtig zu stellen; denn das gibt doch gerade in der Krise den Menschen die entsprechende Sicherheit. Jede Beschäftigung ab dem ersten Euro muss sozialversicherungspflichtig sein

(Beifall bei der LINKEN)

und der Mindestlohn muss auf wenigstens 12 Euro erhöht werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Soziale Sicherheit und gute Arbeit, meine Damen und Herren, dafür steht die Linke.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)