Erklärung zum Ampel-Aus

Die selbsternannte Fortschrittskoalition ist politisch und auch faktisch bankrott. Die Sollbruchstelle war der Haushalt, eine Einigung, die sowohl den Krieg finanziert als auch ein Mindestmaß Sozialstaat garantiert, konnte nicht erzielt werden. Zwar bestand Einvernehmen zwischen den drei Ampel-Partnern darüber, dass die militärische Zeitenwende sowie das Zwei-Prozent-Ziel der NATO finanziert werden muss, der Bruch entstand über den Weg: Scholz wollte die Schuldenbremse aufheben, Lindner verweigerte das und forderte stattdessen harte Einschnitte im Sozialen zur Gegenfinanzierung – die GRÜNEN hätten sich wohl mit beiden Optionen anfreunden können.

Der deutsche Rüstungsetat liegt in diesem Jahr bereits bei 90 Milliarden – so hoch wie noch nie – und wird weiter steigen. Die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels beliefe sich laut Schätzungen der Regierung im Jahr 2027 bereits auf 97 Milliarden plus Forderungen der Bundeswehr. Im gleichen Jahr läuft aber auch das 100 Milliarden Sondervermögen aus.[1] Eines hat die Ampel gezeigt: Auch SPD und GRÜNE lassen die soziale Sicherheit, wenn nötig, über die Klinge der Kriegsausgaben springen, das Beispiel der Kindergrundsicherung, für die dann wegen der hohen Rüstungsausgaben kein Geld mehr da war, zeigt das überdeutlich. Auch sonst wurden Kürzungen unter der Ampel-Regierung sehr wohl vollzogen: Bei den Bundeszuschüssen den Sozialversicherungen beispielsweise. So wurde schon in den vergangenen Jahren der Haushalt zu Lasten der Sozialversicherungssysteme saniert.

Viel hatte die Ampel für den Bereich Arbeit und Soziales so oder so nicht im Koalitionsvertrag vereinbart, aber das Ergebnis bleibt noch hinter dem Wenigen zurück. Nichts von dem, was beispielsweise unter dem Stichwort „Stärkung der Tarifbindung“ vereinbart wurde, wurde umgesetzt. Das Tariftreuegesetz, mit dem Lohndumping bei staatlicher Auftragsvergabe verhindert werden sollte, wurde zuerst fast zwei Jahre angekündigt und ist dann auf der Zielgeraden stecken geblieben. Auch die Behinderung von Betriebsratsarbeit wird – entgegen der Vereinbarung im Koalitionsvertrag – nicht als Offizialdelikt eingestuft und verfolgt und in Sachen Arbeitszeit konnte sich die Regierung nicht auf ein Gesetz einigen, die eine vollständige Erfassung der Arbeitszeit vorsieht, um Beschäftigte vor überlangen Arbeitszeiten und Lohnraub zu schützen. Der Mindestlohn ist nach einem kurzen Hoch auf dem Weg zurück zum Armutslohn, weil es nur vollmundig ministeriale Forderungen über die Presse[2], aber keine realen Initiativen gab, die Mindestlohnrichtlinie, die eine Untergrenze des Mindestlohnes von 60 Prozent des Medianlohnes vorsieht, in das Mindestlohngesetz aufzunehmen. Zu allem Überfluss war sich die Regierung nicht zu schade, regierungsamtlich mitzuteilen, dass die Mindestlohnrichtlinie durch das Mindestlohngesetz umgesetzt werde.[3] Diese Realitätsverweigerung ist eine Einladung an die Mindestlohnkommission den gesetzlichen Mindestlohn weiter zu schleifen – zu Lasten von Millionen Beschäftigten, die dringend auf ein Plus im Portemonnaie angewiesen sind. Trotz Bürgergeld-Reform sind Arbeitslose und Arme stärker als jemals zuvor öffentlicher Stigmatisierung ausgesetzt und das Rentenniveau wird ohne die notwendige Stabilisierung weiter sinken mit der Folge, dass Altersarmut zunehmen wird.

Der populistische und zeitraubende Streit um den Neuwahltermin ist beigelegt und der Wahlkampf hat begonnen. So verwerflich die jetzt bekanntgewordenen frühen Ausstiegspläne der FDP bei gleichzeitig geheuchelter staatsmännischer Verantwortung sein mögen, ist es letztlich egal, wer angefangen hat, politische Ausstiegsszenarien zu planen. Statt empörungsgetriebener Schuldzuschreibung zum Zweck der Wiederherstellung verletzter Politiker-Egos, muss es im Wahlkampf endlich um die wesentlichen Dinge gehen, die die Menschen bewegen: die Sicherung des Friedens, die Stärkung sozialer Sicherheit, der Erhalt von Industriearbeitsplätzen sowie ein klimagerechter Umbau der Industrie.

Trotz des ausbleibenden sozialen Fortschritts und der zweifellos enttäuschenden Bilanz der SPD-geführten Ampel-Regierung – unter einem Kanzler Merz droht Arbeitnehmerrechten wie auch dem Sozialstaat so richtig die Abrissbirne Dabei ähnelt der sauerländische, selbsterklärte Mittelständler Friedrich Merz in vieler Hinsicht seinem amerikanischen Vorbild. Wie Trump hetzt er gegen Minderheiten und Arme und schreckt auch nicht vor banalen Lügen zurück, um den Volkszorn anzufachen. Ich nenne an dieser Stelle nur die dreiste Lüge, dass Geflüchtete angeblich Inländern Zahnarzt-Termine blockieren. Das ist nicht nur schäbig, sondern auch gefährlich. Anstatt die AfD – wie einst versprochen – zu halbieren[4], betätigt sich Merz als Lautsprecher rechtspopulistischer Parolen und verstärkt den rechten Rand bis in die Mitte der Gesellschaft. Das er und seine CDU wenig Interesse an realer Politik, dafür aber sehr viel an Macht an, zeigt sich dieser Tage an der Blockade zentraler Vorhaben zum Wohle der Menschen in diesem Land.

Die Zeit bis zur Neuwahl im Februar 2023 könnte eine Sternstunde des Parlaments sein, schließlich ist es das Parlament, sind es die Abgeordneten, die Gesetze beschließen, das funktioniert auch mit einer Bundesregierung, die keine eigenen Mehrheiten hat Eine übergangsweise Minderheitsregierung könnte den Beweis dafür liefern, dass es bei wichtigen Themen möglich wäre, über Parteigrenzen hinweg zusammen zu arbeiten. Wir Linke sind bereit, vernünftige politische Vorhaben voranzutreiben, die geeignet sind, das Leben der Menschen zu verbessern. Dass jetzt sogar eine Sitzungswoche abgesagt wurde grenzt an Arbeitsverweigerung.

Eine Politik, die die soziale Sicherheit über Bord gehen lässt, gefährdet den inneren Frieden und stärkt die AfD. Eine Politik, die den äußeren Frieden über Bord gehen lässt, gefährdet unser aller Zusammenleben.

Deswegen ist es wichtig, dass Die Linke, die die ganz alltäglichen Probleme der Menschen ernst nimmt und lösen will, die den Reichtum gerecht besteuern, die Klimafrage angehen und die Militarisierung zurückdrängen will – also kurzum: ein gutes Leben in Wohlstand und Frieden für alle Menschen durchsetzen möchte, auch im 21. Bundestag weiterhin vertreten ist. Ob schwarz-gelb, schwarz-grün oder große Koalition – es braucht eine soziale Opposition von links. Das bleibt meine feste Überzeugung, auch wenn ich selbst nicht mehr für den Bundestag kandidiere.


[1] https://www.imi-online.de/2024/07/08/militaerausgaben-2025-2028-ruestung-ausser-rand-und-band/

[2] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/heil-mindestlohn-108.html

[3] https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/313/VO.html

[4] https://www.welt.de/politik/deutschland/article183831170/CDU-Friedrich-Merz-will-der-AfD-die-Haelfte-ihrer-Waehler-abjagen.html