Die Linke begrüßt, dass Koalition und Unionsfraktionen nach mehr als einem Jahr endlich eine Resolution gegen Antisemitismus vorlegen. Die dramatisch zugespitzte gesellschaftliche Situation fordert klare Position und entschlossenes Handeln. Die Linke stimmt der Resolution aber nicht zu, weil sie kaum konkrete Vorschläge zum Schutz jüdischen Lebens enthält, weil sie Minderheiten gegeneinander ausspielt, weil sie der Bedrohung durch Antisemitismus in seinen verschiedenen Formen nicht gerecht wird, weil sie der Pluralität jüdischen Lebens nicht Rechnung trägt, weil sie wichtige Vorschläge von Wissenschaftler*innen außer Acht lässt und weil sie eine umstrittene Antisemitismus-Definition für die Vergabe von Fördermitteln als maßgeblich empfiehlt und dadurch rechtlich problematischem Behördenhandeln in Bezug auf die Freiheit von Wissenschaft, Meinung und Kunst Vorschub leistet. 

Die Resolution wird vor allem dort konkret, wo es um repressive Maßnahmen gegen Studierende oder Menschen ohne deutschen Pass geht. Konkrete Maßnahmen gegen Rechtsextremismus oder rechten Terror oder Vorschläge, wie der Schutz jüdischer Einrichtungen zu verbessern sei, enthält sie nicht. Die Resolution betont besonders Antisemitismus, der „auf Zuwanderung […] basiert“. Eine solche Behauptung schließt an den Rassismus der extremen Rechten an, indem Zuwanderung als Ursache bestimmt wird. Dass eine der wesentlichen Ursachen für Antisemitismus – und zwar auch für Antisemitismus unter Menschen mit Migrationsgeschichte – eine jahrhundertealte christlich-abendländische Tradition der Judenfeindschaft ist, die in Deutschland und Europa ihren präzedenzlosen Höhepunkt fand, steht nicht in der Resolution. Ebenso wenig wird sie der Tatsache gerecht, dass der übergroße Teil der antisemitischen Taten aus dem Phänomenbereich des Rechtsextremismus kommt. Dementsprechend bezieht sich die Resolution zwar auf die documenta 2023 und die Berlinale 2024, nicht aber auf das Attentat von Halle 2019.

Indem die IHRA-Definition als maßgeblich zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung von Projekten empfohlen wird, befördert die Resolution Behördenhandeln, dass nach Einschätzung anerkannter Jurist*innen und der Rechtsprechung u.a. des BVerwG im Konflikt mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aber auch mit der Wissenschaftsfreiheit oder der Kunstfreiheit steht.  Problematisch ist auch, dass der in der Resolution als maßgeblich empfohlene Bundestagsbeschluss zur IHRA-Definition von 2017 von der eigentlichen Definition abweicht, indem er einen Beispielsatz zum definitorischen Kern erklärt.

Die Linke bedauert, dass die von prominenten jüdischen und nicht-jüdischen Wissenschaftler*innen und Jurist*innen unterbreiteten Vorschläge keine Beachtung fanden und fordert deshalb in ihrem Antrag, sich an diesen zu orientieren. Deren Formulierungsvorschläge tragen der religiösen, organisatorischen und politischen Vielfalt des Judentums in Deutschland Rechnung. Der Text betont die Notwendigkeit von Finanzierung und Förderung von Forschung, Bildung und dem Schutz jüdischer Einrichtungen. Er verweist auf den unhaltbaren Zustand, dass viele Überlebende in Deutschland heute in Armut leben und drängt auf eine Restitution der von Jüd*innen geraubten Kunstgegenstände, die sich in öffentlichem Besitz befinden.

Im Hinblick auf die umstrittenen Definitionen verweisen die Verfasser*innen auf die US National Strategy to Counter Antisemitism, die sich zwar auf die weithin verwendete IHRA-Definition bezieht, diese aber in den Kontext weiterer Definitionen stellt und damit sowohl der Kritik Rechnung trägt als auch dem Umstand, dass die IHRA-Definition explizit als nicht rechtsverbindlich entworfen wurde.