Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage »Niedriglöhne in Deutschland« (BT-Drs. 20/2936) von Susanne Ferschl u.a. und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag

Zusammenfassung:
2021 verdienten rund vier Millionen Beschäftigte weniger als zwei Drittel des mittleren monatlichen Bruttoarbeitsentgelts von sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten (ohne Auszubildende). Bundesweit liegt bei mehr als jedem sechsten sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten (18,1 Prozent) der Lohn unter der Niedriglohnschwelle. Der Anteil der vom Niedriglohn Betroffenen ist gegenüber gegenüber Vorjahr nur leicht gesunken (2019: 18,7 Prozent).
Die Gastronomie sucht händeringend nach Personal. Und doch ist das Gastgewerbe weiterhin der Wirtschaftszweig mit dem höchsten Niedriglohnanteil (2021: 66,8%). Mehr als jede/r zweite sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte arbeitet im Gastgewerbe rechnerisch zum Niedriglohn. Zwar ist der Anteil 2021 gegenüber 2020 leicht gesunken; er liegt aber immer noch deutlich über dem im Jahr vor Ausbruch der Pandemie (2019: 63,4%). Nach Personengruppen betrachtet, sind Frauen (24,5 Prozent) und AusländerInnen (35,6 Prozent) besonders häufig zum Niedriglohn beschäftigt, nach Regionen besonders viele Menschen in Ostdeutschland (27,5 Prozent).

Ergebnisse im Einzelnen:
Mehr als jede/r sechste sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte (ohne Auszubildende) arbeitete 2021 bundesweit für einen Lohn unter der so genannten Niedriglohnschwelle, verdiente also weniger als zwei Drittel des mittleren Bruttoentgelts. Rund vier Millionen Menschen sind betroffen (s. Antwort der Bundesregierung zur Frage 11 und Tabellen 4-6). Der Anteil des Niedriglohnsektors ist gegenüber Vorjahr nur leicht gesunken; während in Westdeutschland nur ein leichter Rückgang zu sehen ist, ist er in Ostdeutschland stärker ausgefallen – allerdings von einem deutlich höheren Niveau (vgl. ebenda und Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE aus den Vorjahren).

Die Unterscheidung nach Wirtschaftszweigen zeigt: Hier schneidet 2021 das Gastgewerbe weiterhin am schlechtesten ab (66,8 Prozent). Besonders betroffen sind auch Private Haushalte mit Hauspersonal (52,9Prozent), Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (50,8 Prozent), Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (48,1 Prozent) (s. diese und weitere Wirtschaftszweige in der Antwort der Bundesregierung, Tabelle 5).
Ostdeutschland besonders betroffen: In Ostdeutschland lag der Anteil der zum Niedriglohn arbeitenden mit 27,5 Prozent im Jahr 2021 wesentlich höher als in Westdeutschland, wo 16 Prozent der Vollzeitbeschäftigten zum Niedriglohn arbeiten mussten (s. Antwort der Bundesregierung, Tabelle 6).
• Unter allen Bundesländern hat Mecklenburg-Vorpommern den höchsten Anteil an Beschäftigten, die zum Niedriglohn arbeiten (32,5 Prozent), gefolgt von Thüringen (31,1 Prozent), Sachsen (30,5 Prozent) und Brandenburg (30 Prozent). Unter den westdeutschen Bundesländern schneiden Schleswig-Holstein (20,4 Prozent) und Niedersachsen (19,4 Prozent) am schlechtesten ab. Berlin hat unter den Stadtstaaten den höchsten Anteil (18 Prozent) (Bremen: 16,9 Prozent; Hamburg: 13,4 Prozent) (s. Antwort der Bundesregierung, Tabelle 6).

Die Unterscheidung nach Personengruppen zeigt, dass Frauen noch wesentlich stärker von Niedriglöhnen betroffen sind als Männer; noch weitaus stärker betroffen sind Ausländer (Insgesamt: 18,1 Prozent; Frauen: 24,5 Prozent; Männer: 15 Prozent; Deutsche: 15,1; Ausländer: 35,6) (s. Antwort der Bundesregierung, Tabelle 4).
Die Unterscheidung zwischen jüngeren und älteren Beschäftigten zeigt: Jüngere (unter 25 Jahre) sind am stärksten betroffen (insgesamt: 18,1 Prozent; unter 25 Jahren: 37,6 Prozent; 25 bis 50 Jahre: 17,3 Prozent; 50 Jahre und älter: 15,9 Prozent) (s. Antwort der Bundesregierung, Tabelle 4).
Die Unterscheidung nach Berufsabschlüssen zeigt: Menschen ohne Berufsabschluss sind am stärksten betroffen (insgesamt: 18,1 Prozent; ohne Berufsabschluss: 40,8 Prozent; anerkannter Berufsabschluss: 17 Prozent; akademischer Berufsabschluss: 4,8 Prozent) (s. Antwort der Bundesregierung, Tabelle 4).
• Die große Zahl Vollzeitbeschäftigter, die zu einem Niedriglohn arbeiten, ist möglicherweise auch mit Ursache für die hohe Zahl der im Nebenjob geringfügig Beschäftigten. 2021 waren dies 3,2 Millionen Menschen. Ihre Zahl war 2020 – sicherlich pandemiebedingt – gesunken (-4,2 Prozent gg. Vorjahr); mit der wirtschaftlichen Erholung 2021 ist ihre Zahl aber wieder stark gestiegen (+7,9% gg. Vorjahr) (s. Antwort der Bundesregierung, Tabelle 13).

Medianentgelte und Niedriglohnschwellen
Die Niedriglohnschwelle für sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte liegt bei zwei Drittel des Medianentgelts aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten.
• In Deutschland betrug das Medianentgelt der Vollzeitbeschäftigten der Kerngruppe mit Angaben zum Entgelt zum Stichtag 31. Dezember 2021 3.516 Euro (Antwort, Tabelle 3)
• In Deutschland betrug die Niedriglohnschwelle 2021 2.417 Euro (Antwort auf Frage 10)
• In Westdeutschland betrug das Medianentgelt der Vollzeitbeschäftigten der Kerngruppe mit Angaben zum Entgelt zum 31. Dezember 2021 in Westdeutschland 3.626 Euro (Antwort, Tabelle 3)
• In Westdeutschland betrug die Niedriglohnschwelle 2021 2.360 Euro (Antwort auf Frage 10)
• In Ostdeutschland betrug das Medianentgelt der Vollzeitbeschäftigten der Kerngruppe mit Angaben zum Entgelt zum Stichtag 31. Dezember 2021 3.007 Euro. (Antwort, Tabelle 3)
• Für Ostdeutschland betrug die Niedriglohnschwelle 2021 2.004Euro (Antwort auf Frage 10)


Entwicklung von Entgelt und Preisen: Der Anstieg des Medianentgelts lag 2021 nicht wesentlich über dem Anstieg der Verbraucherpreise und dem Preisanstieg für Nahrungsmittel. 2020 waren die Preise für Nahrungsmittel und Mieten sogar stärker gestiegen als das Medianentgelt. Zum Niedriglohn Beschäftigte sind vom Preisanstieg für Nahrungsmittel und Mieten besonders betroffen, weil sie einen höheren Anteil ihres Einkommens dafür ausgeben, als besser Verdienende; grundsätzlich sind sie auch von dem Anstieg der Verbraucherpreise insgesamt stärker betroffen, da sie einen höheren Anteil ihres Einkommens für den Konsum ausgeben müssen (Zahlen in Antwort, Tabellen 7 und 8).