Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Ausmaß und Struktur der geringfügigen Beschäftigung“ (BT-Drs. 19/31297) von Susanne Ferschl u.a. und der Fraktion DIE LINKE.

Zusammenfassung:

Minijobbende hat die Corona-Krise hart getroffen – knapp 500.000 ausschließlich geringfügig Beschäftigte haben zwischen Juni 2019 und Juni 2020 ihren Job verloren. Nichtsdestotrotz stagniert die geringfügige Beschäftigung auf hohem Niveau. Immer mehr Menschen sind auf einen Zweitjob angewiesen: Jede/r Zwölfte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte (8,5 Prozent) übt eine gering-fügige Beschäftigung im Nebenjob aus.

12,0 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland sind ausschließlich geringfügig entlohnt beschäftigt (SH 13,2%, NDS 12,8%, NRW 13,1%, RLP 13,7%, Saarland 13,2%), in Ostdeutschland sind es 8,0 Prozent.

Ob die vielfach geforderten Schlüsse aus der Pandemieerfahrung gezogen und Minijobs reguliert werden, lässt die Bundesregierung offen. Stattdessen werden die bestehenden Probleme – etwa die fehlende soziale Absicherung oder die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht im Minijob – kleingeredet. Den zwar zunehmenden aber weiterhin geringen Anteil an Minijobbern, die in die Rentenkasse einzahlen (20,2% im Dezember 2020), begründet die Bundesregierung mit dem hohen Anteil der Minijobber im Nebenjob (38,5% an allen Minijobs), sowie dem Anteil der Schüler*innen, Student*innen oder Rentner*innen. Doch betrachtet man nur die ausschließlich geringfügig entlohnten Minijobber und zieht die <25 bzw. >65 Jahren ab, verbleiben 2,258 Mio., wonach mit 1,18 Mio. Versicherten rund die Hälfte der Zielgruppe nicht in die Rentenkasse einzahlt. Altersarmut – vor allem für Frauen – ist vorprogrammiert.

Fast jede/r zweite geringfügig Beschäftigte ist im Haupterwerbsalter zwischen 25 und 55 Jahren. Entgegen landläufiger Vorurteile verfügen ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte in der Mehrheit über einen anerkannten Berufsabschluss (43,3 Prozent) oder einen akademischen Abschluss (6,9 Prozent), dies gilt umso mehr bei einem Minijob als Nebenbeschäftigung: anerkannter Berufsabschluss 66,4%; akademischer Berufsabschluss 11,1%.

Minijobs sind darüber hinaus häufig kein Sprungbrett, sondern entwerten erworbene Qualifikationen, sind häufiger befristet, aufgrund des geringen Stundenumfangs nicht existenzsichernd und bieten im Krisenfall keinerlei sozialen Schutz. 874.000 ausschließlich geringfügig Beschäftigte führen eine Tätigkeit unterhalb ihres Qualifikationsniveaus aus; das ist mehr als jeder Fünfte. Bei den im Nebenjob geringfügig entlohnt Beschäftigten sind es rund 991.000, also 35,2%. Der Anteil von Minijobbenden mit befristeten Verträgen an allen Minijobbenden beträgt 14,5 Prozent in 2019. Bei allen abhängig Beschäftigten sind es 7,9 Prozent.

2020 wurden 2,206 Mrd. Arbeitsstunden von geringfügig Beschäftigten geleistet und 1,048 Mrd. von im Nebenjob beschäftigten Mrd. Das entspricht 1.687.000 Vollzeitstellen.

Mehreinnahmen bei einer Sozialversicherungspflicht ab dem 1. Euro von Minijobbenden würden durchschnittlich 8,60€ pro 100€ Verdienst betragen. Bei einem Entgelt von 320 Euro, das gerundet dem monatlichen Durchschnittsverdienst 2019 von geringfügig entlohnt Beschäftigten im gewerb-lichen Bereich entspricht, belaufen sich die rechnerischen Mehreinnahmen pro Minijobber im Mittel auf folglich 27,52 Euro. Vor allem aber sind Beschäftigte dann auch im Krisenfall sozial abgesichert.

O-Ton Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

„Keine Stunde Arbeit ohne soziale Absicherung – das muss die Lehre aus der Corona-Krise sein. Die Pandemie hat den prekären Charakter und den fehlenden sozialen Schutz von Minijobs schonungslos offenbart. Viel zu viele Menschen sind auf einen Minijob angewiesen, weil der reguläre Job oder die Rente nicht zum Leben reichen – ein Armutszeugnis in einem reichen Land. Es muss Schluss sein mit diesen Beschäftigungsverhältnissen zweiter Klasse, von denen nur Unternehmen profitieren. Die Anhebung des Mindestlohns auf ein armutsfestes Niveau von derzeit 13 Euro ist überfällig, ebenso wie die Überführung in sozialversicherungspflichtige Anstellungen. Beschäftigte brauchen gute Löhne und soziale Sicherung. Das stärkt die Sozialkassen und den Sozialstaat sowie die gesellschaftliche Solidarität.“

Ergebnisse im Einzelnen:

Anzahl von Minijobs (Juni 2020) [Fragen 1-3]

  • gesamt: 7,3 Mio. geringfügig Beschäftigte (Vgl. 7,9 Mio. im Juni 2019; -570.743), davon sind 7,08 Mio. geringfügig entlohnt und 0,24 Mio. kurzfristig („zeitgeringfügig“) beschäftigt
  • 4,26 Mio. Beschäftigte haben nur einen Minijob (vgl. 4,9 Mio. im Juni 2019; – 427.758) und 2,82 Mio. haben einen Minijob als Nebenjob  (vgl. 2,9 Mio. im Juni 2019; – 142.985)
  • 8,5 Prozent der SV-pflichtigen Beschäftigen sind im Nebenjob geringfügig beschäftigt; auf 100 SV-pflichtige Beschäftigte kommen statistisch gesehen rund 13 ausschließlich geringfügig Beschäftigte; insgesamt ist rund jede/r Fünfte ist geringfügig beschäftigt
    • nach Geschlecht:

41,9% (zeit- und lohn-) geringfügig beschäftigte Männer; 58,1% Frauen [Tabelle 2] 39,3% ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte sind Männer sowie 45,1% der geringfügig Entlohnten im Nebenjob

50,5% der ausschließlich kurzfristig Beschäftigten sind Männer sowie 53,0% der im Nebenjob kurzfristig Beschäftigten

  • Anteil nach Altersgruppen:
  • U25: insg. 18,8%; ausschließlich Minijob: 21,8%; Minijob im Nebenjob: 11,3%; kurzfristig: 51,8%
  • 25-55: insg. 48,0%; ausschließlich Minijob: 34,0%; Minijob im Nebenjob: 70,1%; kurzfristig: 37,6%
  • 55-65: insg. 18,0%; ausschließlich Minijob: 19,0%; Minijob im Nebenjob: 17,4%; kurzfristig: 5,3%
  • Ü65: insg. 15,3%; ausschließlich Minijob: 25,2%; Minijob im Nebenjob: 1,2%; kurzfristig: 5,3%
    • Anteil Region:
  • Westdeutschland: insg. 88,4%; ausschließlich Minijob: 87,3%; Minijob im Nebenjob: 90,4%; kurzfristig: 84,8%/ Beschäftigte insg. 82,2%

12,0% der Beschäftigten in Westdeutschland sind ausschließlich geringfügig entlohnt beschäftigt (SH 13,2%, NDS 12,8%, NRW 13,1%, RLP 13,7%, Saarland 13,2%), in Ostdeutschland sind es 8,0%.

Frage 4 nach dem Anteil der ausschließlich Minijobbenden, die Schüler*innen, Student*innen oder Rentner*innen sind, bleibt unbeantwortet. Approximativ (<25 bzw. >65 Jahre) machen diese jedoch weniger als die Hälfte aus (47,0%). Sie sollten daher nicht als Vorwand dienen, um eine stärkere Regulierung zu unterlassen.

Frage 5 Rentenversicherungspflicht

Die BReg erklärt den zwar zunehmenden aber weiterhin geringen Anteil an Minijobbern, die in die Rentenkasse einzahlen (Tabelle 1: 20,2% im Dezember 2020), mit dem hohen Anteil der Minijobber im Nebenjob (38,5% an allen Minijobs), sowie dem Anteil der Schüler*innen, Student*innen oder Rentner*innen. Doch betrachtet man nur die ausschließlich geringfügig entlohnten Minijobber und zieht die <25 bzw. >65 Jahren ab, verbleiben 2,258 Mio., wonach mit 1,18 Mio. Versicherten im Juni rund die Hälfte der Zielgruppe nicht in die Rentenkasse einzahlt.

Frage 8/9

Wirtschaftsabschnitte mit höchstem Anteil/ höchster Anzahl an Minijobbenden

  • ausschließlich geringfügig Beschäftigte: 4,3 Millionen (Juni 2020), davon
    • Handel: 802.811
    • Gastgewerbe: 484.529
    • sonst. wirtschaftl. Dienstleistungen: 444.111
    • Gesundheits- und Sozialwesen: 438.700
    • Verarbeitendes Gewerbe: 317.705
    • Verkehr- und Lagerei: 265.886
    • freiberufl., wissenschaftl. & techn. Dienstl.: 237.339
    • sonst. Dienstl.: 209.084
    • Private Haushalte: 185.512
    • Baugewerbe: 182.804
  • im Nebenjob geringfügig Beschäftigte: 2,8 Millionen, davon
    • sonst. wirtschaftl. Dienstleistungen: 440.301
    • Handel: 386.525
    • Gastgewerbe: 352.535
    • Gesundheits- und Sozialwesen: 303.309
    • Verarbeitendes Gewerbe: 176.388
    • Verkehr- und Lagerei: 168.011
    • freiberufl., wissenschaftl. & techn. Dienstl.: 163.903
    • Baugewerbe: 134.787
    • Grundstücks- und Wohnungswesen: 124.194
    • sonst. Dienstleistungen: 110.392

Wirtschaftszweige mit dem höchsten Anteil an Minijobbenden

Private Haushalte (78,9%), Dienstleistungen des Sports (38,9%), Gastronomie (35,7%), Grundstücks- und Wohnungswesen (32,0%); Gebäudebetreuung/ Garten- und Landschaftsbau (26,7%)

Kurzfristige Beschäftigung wird insbesondere im Bereich „Landwirtschaft, Jagd und damit verbundene Tätigkeiten“ genutzt (19,6% bzw. 77.882 Personen)

Qualifikationsniveau von geringfügig entlohnten Minijobbenden [Frage 10; Juni 2020]

  • ausschließlich geringfügig entlohnt: 4.259.958
    • kein (anerkannter) Berufsabschluss: 1.003.747 bzw. 23,6%; dazu tragen maßgeblich die <25-Jährigen bei: 63,3% (25 bis <55: 18,3%; 55 bis <65: 9,3%; 65+: 7,0%
    • anerkannter Berufsabschluss: 1.845.747 (43,3%); bei den über 25-Jährigen steigt erwartungsgemäß der Anteil derer, mit einem (anerkannten) Berufsabschluss: <25: 8,9%; 25 bis <55: 45,7%; 55 bis <65: 56,5%; 65+: 59,9%
    • akademischer Berufsabschluss: 295.066 (6,9%)
  • im Nebenjob geringfügig entlohnt: 2.816.834
    • ohne Berufsabschluss: 436.453 (15,5%)
    • anerkannter Berufsabschluss: 1.869.891 (66,4%)
    • akademischer Berufsabschluss: 311.743 (11,1%)

Tätigkeitsniveaus von Minijobbenden [Frage 11]

  • ausschließlich geringfügig entlohnt: 4.259.958
    • Helfer: 1.885.192 (44,3%)
    • Fachkraft: 1.827.642 (42,9%)
    • Spezialist: 188.180 (4,4%)
    • Experte: 178.376 (4,2%)
  • im Nebenjob geringfügig entlohnt: 2.816.834
    • Helfer: 1.232.765 (43,8%)
    • Fachkraft: 1.225.545 (43,5%)
    • Spezialist: 175.861 (6,2%)
    • Experte: 90.776 (3,2%)

Tätigkeit unterhalb des Qualifikationsniveaus [Frage 12; Juni 2020]: 874.000 ausschließlich geringfügig Beschäftigte; das ist mehr als jeder Fünfte. Bei den im Nebenjob geringfügig entlohnt Beschäftigten sind es rund 991.000, also 35,2%. Diese Anteile sind im Vergleich zu Juni 2019 leicht gestiegen (19,9% bzw. 34,6%).

Zahl und Anteil von Minijobbenden mit befristeten Verträgen an allen Minijobbenden sowie zur Gesamtwirtschaft [Frage 13]: 14,5% in 2019 im Gegensatz zu 7,9% bei allen abhängig Beschäftigten

Anzahl & Anteil von Minijobbenden in der Arbeitnehmerüberlassung [Frage 14]: 1,2% im Dezember 2020 im Gegensatz zu 2,0% aller Beschäftigter

Durchschnittliche Wochen-Arbeitsstunden von geringfügig Beschäftigten (2019) [Frage 17]: 12 Stunden

  • gesamt: 11,9 h
    • Männer: 13,3 h
    • Frauen: 11,1 h

Im Nebenjob:

  • gesamt: 6,7 h
    • Männer: 6,8 h
    • Frauen: 6,7 h

Arbeitsvolumen von Minijobbenden/ Vollzeitäquivalent [Frage 18; Tabelle 15 und 16]

  • 2020 wurden 2,206 Mrd. Arbeitsstunden von geringfügig Beschäftigten geleistet und 1,048 Mrd. von im Nebenjob beschäftigten Mrd. Das entspricht 1.687.000 Vollzeitstellen. Das sind 11,7% weniger als 2019 (1.910.000 Vollzeitstellen).

Sozialversicherung [Frage 19]

  • Mehreinnahmen bei Sozialversicherungspflicht ab dem 1. Euro von Minijobbenden betragen durchschnittlich 8,60€/ 100€ Verdienst
  • Bei einem Entgelt von 320 Euro, das gerundet dem monatlichen Durchschnittsverdienst 2019 von geringfügig entlohnt Beschäftigten im gewerblichen Bereich entspricht, belaufen sich die rechnerischen Mehreinnahmen mithin auf 27,52 Euro.

Regelleistungsbedarfsgemeinschaften mit min. einem ausschließlich geringfügig beschäftigte, erwerbsfähige Leistungsberechtigtne nach dem SGB II (Aufstockende) [Frage 20 Tab. 17 und 18]

  • gesamt (2019): 311.722
  • Zahlungsansprüche für SGB II-Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem ausschließlich geringfügig Beschäftigten im Jahresdurchschnitt 2019: 3,9 Milliarden Euro

Frage 21

Keine Erkenntnisse der Bundesregierung zu Frage, wie viele Minijobber seit März 2020 ihren Job verloren und ALG II beziehen mussten sowie wie viele Studierende ihren Minijob verloren.

Frage 23

Nach Angaben der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit betrug im Jahr 2020 die mittlere Beschäftigungsdauer (Mediandauer) von beendeten geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnisse 230 Tage bzw. 7,6 Monate und ist damit gestiegen vergleichen mit 2019 (204 Tage bzw. 6,7 Monate).