Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Während einfache Menschen in der Pandemie um ihre Existenz ringen, kassieren andere Dividenden. Das ist bezeichnend für die Krisenpolitik der Bundesregierung. Wie oft habe ich hier schon gehört: In dieser Krise sitzen wir alle in einem Boot. – Der Unterschied ist nur: Ein paar sind schon über Bord gegangen, einige rudern wie verrückt, und auf dem Oberdeck findet gleichzeitig eine Party statt.

(Frank Sitta [FDP]: Das ist doch unglaublich!)

Um das Bild zu übersetzen: Viele Beschäftigte haben ihren Job verloren. Leiharbeitnehmer, befristet Beschäftigte und Minijobber waren als Erste raus. Nach nur zwölf Monaten Arbeitslosengeld fallen sie sofort in Hartz IV oder sind, wie Minijobbende, gar nicht in der Arbeitslosenversicherung abgesichert. Kolleginnen und Kollegen in der Gastronomie und im Dienstleistungsbereich sind besonders betroffen. Das Kurzarbeitergeld reicht hinten und vorne nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Selbstständige, Künstler, Einzelhändler und Kneipenbesitzer stehen vor dem Ruin, weil die Hilfen nicht oder nicht ausreichend ankommen. Gleichzeitig schütten mitten in der größten Krise elf DAX-Konzerne – und das ist nur die Spitze des Eisbergs – insgesamt fast 14 Milliarden Euro an Dividenden an ihre Aktionäre aus. Das ist doch unfassbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Daimler hatte im vergangenen Jahr einen Gewinn von 6,6 Milliarden Euro und hat die Dividenden auf sage und schreibe 1,4 Milliarden Euro erhöht.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Allein BMW hat 770 Millionen Euro ausgeschüttet. Diese Unternehmen haben sich über Kurzarbeit die Gehälter und die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Mitarbeiter erstatten lassen. Allein im Fall von Daimler waren es 700 Millionen Euro.

(Frank Sitta [FDP]: Aktien sind frei verkäuflich!)

Geld der Solidargemeinschaft wandert so direkt in die Taschen von Millionären wie Stefan Quandt und Susanne Klatten. Das hat mit „Wir sitzen alle in einem Boot“ rein gar nichts mehr zu tun. Das ist Abzocke unter den Augen der Bundesregierung und gehört unterbunden.

(Beifall bei der LINKEN – Frank Sitta [FDP]: Zurück zur DDR!)

Bevor Sie jetzt sagen: „Da kann man nichts machen; das regelt alles der Markt“, schauen wir mal zu unseren europäischen Nachbarn: In Frankreich und Dänemark ist so was verboten. Hierzulande dürfen Unternehmen Kurzarbeit in Anspruch nehmen, ungeniert Dividenden ausschütten, Aktien zurückkaufen und ihren Vorständen Boni und überhöhte Gehälter zahlen. Der Gipfel ist, wenn dann noch Beschäftigte entlassen werden. Damit muss Schluss sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, ich kenne die Leier: Die Arbeitslosenversicherung ist eine Versicherung, an die auch Unternehmen Beiträge abführen. – Aber das, was wir hier erleben, das grenzt nahezu an Versicherungsbetrug.

(Beifall bei der LINKEN)

Unternehmen, die so liquide sind, dass sie Dividenden in Millionenhöhe auszahlen können, sind kein Fall für die Sozialversicherung und brauchen erst recht nicht unser Steuergeld.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Sozialversicherung ist dafür da – so formuliert es das Sozialgesetzbuch I –, wirtschaftliche Sicherheit herzustellen. Davon, dass sich auch die Aktionäre die Taschen füllen, steht da nichts drin.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!)

Letztes Jahr hat der Bund fast 7 Milliarden Euro an Liquiditätshilfen an die Bundesagentur für Arbeit überwiesen, und dieses Jahr werden es voraussichtlich über 3 Milliarden Euro sein, um sie zu stützen. Spätestens wenn Staatszuschüsse an die Bundesagentur für Arbeit nötig sind und gezahlt werden, muss doch dieses Treiben ein Ende haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Man muss sich das vor Augen führen: Millionen von Menschen fürchten um ihre Existenz, und gleichzeitig landet staatliches Geld auf Umwegen bei den Aktionären, und das in einer Zeit, in der die Bundesregierung ein Mindestkurzarbeitergeld von 1 200 Euro ebenso ablehnt wie die verlängerte Zahlung des Arbeitslosengeldes. Das würden die Betroffenen so dringend benötigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Argument dafür, warum das nicht gezahlt wird, ist die klamme Finanzsituation der Bundesagentur für Arbeit. Ja, richtig, die Rücklagen sind aufgebraucht, und auf die Liquiditätshilfen hatte ich hingewiesen. Aber das ist doch erst recht ein Grund, Kurzarbeit und auch die Gewährung von staatlichen Hilfen an Bedingungen zu knüpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es muss klar sein: Wer die Hand aufhält, darf nicht betriebsbedingt kündigen, keine Dividenden oder Boni auszahlen und muss die Vorstandsgehälter begrenzen.

(Beifall bei der LINKEN)

So bekäme man zumindest ansatzweise wieder das Gefühl, wir sitzen tatsächlich alle in einem Boot, und es rudern auch alle ein Stück weit mit.

Wenn die Bundesregierung hier nicht handelt, dann verkommt die von ihr vielbeschworene Solidarität zur hohlen Phrase. Dafür braucht es Mut, sich mit den Konzernen und Mächtigen anzulegen. Neben Mut braucht es aber auch andere Mehrheiten für die praktische Umsetzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Letzten April hat mir der Kollege Carsten Schneider von der SPD aus der Seele gesprochen, als er gesagt hat – ich zitiere –: „Wer auf Staatshilfe setzt, kann nicht gleichzeitig Gewinne an Aktionäre ausschütten.“ Dieses Gerechtigkeitsverständnis wird aber mit einer Union in der Bundesregierung niemals realisierbar sein. Deswegen brauchen wir nach der Bundestagswahl einen sozialen Aufbruch, und dafür gehört die Union in die Opposition.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)