Susanne Ferschl (DIE LINKE)

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt immer mehr Menschen in Deutschland, die auf die Tafeln angewiesen sind. Mittlerweile gibt es 1,6 Millionen „Kunden“. Das ist eine ziem-lich beschönigende Bezeichnung für Menschen, die arm sind und ihren Lebensunterhalt sonst nicht bestreiten könnten. Das, meine Damen und Herren, ist nicht nur in der Vorweihnachtszeit eine Schande für dieses reiche Land!

(Beifall bei der LINKEN)

Eine besonders große Gruppe derjenigen, die auf die Tafeln angewiesen sind, sind die Rentnerinnen und Rentner. Hier ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent gestiegen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: 10 Prozent!)

Hinter dieser anonymen Zahl verbergen sich Schicksale, verbirgt sich Armut. Ältere Menschen, die Flaschen sam-meln, sind in den Großstädten mittlerweile ein alltägliches, trauriges Bild. 1 Million Rentnerinnen und Rentner haben einen Minijob; die Zahl hat sich seit 2003 verdoppelt. Diese Menschen tun das sicher mehrheitlich nicht aus Spaß oder Langeweile, sondern aus purer Existenznot. Dass Tafeln überhaupt notwendig sind, ist ein Sym-bol eines Sozialstaates, der an entscheidenden Stellen nicht mehr richtig funktioniert, und das werden wir als Linke niemals akzeptieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Situation ist nicht vom Himmel gefallen, sondern politisch verursacht worden durch unterschiedliche Regierungskoalitionen, die die gesetzliche Rentenver-sicherung demontiert haben, und eine verfehlte Arbeits-marktpolitik, die Befristung, Leiharbeit und andere Formen der prekären Beschäftigung gefördert hat. Deutschland hat mittlerweile einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa. Mittlerweile arbeitet jeder Fünfte in Deutschland zu einem Niedriglohn, in Ostdeutschland sogar jeder Dritte. Das offenbart doch das sozialpolitische Versagen; denn wer von seiner Arbeit schon nicht leben kann, wird auch im Alter arm sein.

Um es deutlich zu machen: Wer ein Leben lang unter 12 Euro pro Stunde gearbeitet hat, dem bleibt nichts anderes übrig, als im Alter aufs Amt zu gehen und Grundsicherung zu bean-tragen.Meine Gewerkschaft NGG führt zurzeit Tarifverhand-lungen in der Systemgastronomie – Burger King, McDo-nald’s, Starbucks usw. Die Kolleginnen und Kollegen kämpfen gegen die Hungerlöhne in dieser Branche. Kein Lohn unter 12 Euro pro Stunde; denn damit ist Alters-armut vorprogrammiert!

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen an der Stelle ganz viel Erfolg. Um Altersarmut zu verhindern, müssen die Löhne, muss der Mindestlohn steigen. Wir fordern schon lange einen Mindestlohn von 12 Euro. Auch bei SPD und Grünen scheint diese Einsicht jetzt zu reifen; wir haben ja schon öfter die Vorreiterrolle innegehabt. Die Union be-hauptet allerdings nach wie vor scheinheilig, dass die Er-höhung des Mindestlohns Aufgabe der Tarifpartner sei,

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Natürlich!)

und trägt die Tarifautonomie wie eine Monstranz vor sich her,

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie kommen doch von der Gewerkschaft, Frau Ferschl!)

wohl wissend, dass die Mindestlohnkommission gegen das Veto der Arbeitgeber den Mindestlohn eben nicht mit einer kräftigen Erhöhung auf ein armutsfestes Niveau anheben kann.

(Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wollen Sie, dass die Gewerkschaften keine Arbeit mehr haben? – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie hat recht! Einfach politisch festsetzen!)

Selbst Ihr eigener Arbeitnehmerflügel gesteht ein: „Die Entwicklung des Mindestlohns ist eine Riesenenttäu-schung.“ Also: Zeit zu handeln, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE], an die CDU/CSU gewandt: Fragen Sie Herrn Laumann!)

Aber stattdessen blockieren Sie von der Union wieder jeglichen Fortschritt.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Was? Der Fortschritt ist die Union!)

Neun Monate lang haben Sie in der Großen Koalition um den Kompromiss zur Grundrente gerungen. Neun Monate! Herausgekommen ist dabei wahrlich kein großer Wurf, aber immerhin eine Verbesserung für fast 1,5 Millionen Menschen. Und jetzt stellt Ihre Parteichefin Anne-gret Kramp-Karrenbauer diesen kleinen Kompromiss wieder infrage, nur weil ihr das Verhalten der SPD an dieser Stelle nicht gefällt. Es geht Ihnen also nicht um Respekt vor der Lebensleistung; es geht Ihnen auch nicht darum, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbes-sern.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Dafür sorgen wir die ganze Zeit, Frau Ferschl!)

Dafür sollten Sie sich als Union wirklich schämen!

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unchristlich! – Antje Lezius [CDU/CSU]: Wir haben ja einen Kompromiss! Wir wollen ihn nur nicht wieder aufschnüren!)

Länder wie Österreich beweisen uns, dass es anders möglich ist: mit einer Versicherung, in die alle einbezahlen,

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Jetzt kommt die alte Leier wieder!)

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wie Selbstständige, Beamte und, ja, auch Politikerinnen und Politiker.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin der Meinung, wir Abgeordnete sollten bei uns selber anfangen.(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Arme Rentner!)

Ich will es an einem Beispiel klarmachen: Ich habe in den 27 Jahren, in denen ich im Betrieb gearbeitet habe, einen ähnlich hohen Rentenanspruch erworben, wie ich ihn nach vier Jahren im Bundestag haben werde. Das ist wirklich absurd, meine Damen und Herren.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Glauben Sie doch selber nicht, was Sie jetzt gesagt haben! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch, da hat sie recht! – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Nein, hat sie nicht. Sie hat die Betriebsrente vergessen!)

– Ich kann Ihnen den Rentenbescheid zeigen, wenn Sie es nicht glauben. – Um eine Lebensstandardsicherung im Alter zu erreichen, brauchen wir höhere Löhne durch eine hohe Tarifbindung – der Mindestlohn kann letztendlich nur die Auffanglinie sein – und eine starke gesetzliche Rentenversicherung mit einem höheren Rentenniveau und einer Mindestrente.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür steht Die Linke.Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)